Die Rentierflechte – Klein aber oh ho!
Rentiere sind uns allen ein Begriff. Doch wie sieht es mit der Rentierflechte aus, dieser kleinen Pflanze mit großer Wirkung? Aber halt! Sind Flechten denn überhaupt Pflanzen?
Obwohl sie oft als Pflanzen bezeichnet werden, sind sie keine Organismen im traditionellen Sinn. Als Symbiose aus einem Pilz und einer Alge oder Cyanobakterien sind sie eine kleine Besonderheit. Der Pilz bildet die Struktur, die Schutz bietet, während die Alge oder Cyanobakterien Photosynthese betreiben und Nährstoffe produzieren. Diese einzigartige Partnerschaft definiert Flechten als eine eigenständige Gruppe innerhalb des Pflanzenreichs.
Die Rentierflechte, die auch Rentiermoos genannt und unter dem wissenschaftlichen Namen Cladonia rangiferina geführt wird, hat nicht nur in der Natur, sondern auch in der Medizin und im Alltag ihre besonderen Spuren hinterlassen.
Diese zarte Flechtenart gedeiht überwiegend in der boralen Zone, also der Ökozone, die sich auf der Nordhalbkugel der Erde erstreckt. Dazu gehören die nordischen Regionen wie Nordamerika, Europa, Asien und Teile der Antarktis gehören. Charakteristisch für die boreale Zone ist der boreale Nadelwald, auch Taiga genannt. Diese Region zeichnet sich durch unebene, sandige, nährstoffarme und saure Böden aus, während der Untergrund oft felsig ist. Das Klima ist geprägt von einem kurzen Vegetationszeitraum mit kalten Wintern und milden Sommern. In Deutschland ist die Flechte auch anzutreffen, wobei ihre Verbreitung in Baden-Württemberg durch die Arten Cladonia arbuscula und Cladonia rangiferina vertreten wird.
Ihre strauchartige Form und das grauweiße bis gelbliche Erscheinungsbild machen die Rentierflechte zu einem markanten Element der Flora, das wirklich vielseitig ist: es ist ein natürliches Färbemittel, enthält Vitamin C und A, kann Stickstoff aus der Luft binden und diesen für andere Pflanzen nutzbar machen und und und...
Und hübsch ist sie auch! Was in der Natur schön aussieht, holen sich Menschen gerne auch ins Haus. Die Rentierflechte ist dabei keine Ausnahme. So wird sie häufig im Modellbau, z.B. als Landschaftselement bei Modelleisenbahnen oder als Dekoration z.B. in Kränzen jeglicher Art, etc. genutzt.
Doch die Rentierflechte ist nicht nur ein ästhetisches Highlight. In den Wintermonaten ist sie ein bedeutender Bestandteil der Ernährung ihrer Namensgeber, den Rentieren. Die Tiere konsumieren etwa 2 kg Flechten pro Tag, was ihre Widerstandsfähigkeit gegen die eisigen Temperaturen stärkt.
In der traditionellen Medizin wird Rentiermoos, zu dem die Rentierflechte gehört, aufgrund seiner antimikrobiellen, entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften geschätzt und zur Behandlung von Asthma und Atemwegserkrankungen eingesetzt.
Auch wenn die Flechte in der alpinen Tundra weitverbreitet ist, kann sie erstaunlicherweise mit Vitamin D3, dem Sonnenvitamin, in Verbindung gebracht werden. Dieses Vitamin spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels sowie bei der Erhaltung gesunder Knochen und Zähne.
Vitamin D3 wird in der Regel nicht aus Rentierflechten gewonnen. Stattdessen erfolgt die Herstellung von Vitamin D3 häufig aus tierischen Quellen. So wird bspw. Lanolin (Wollwachs) UV-bestrahlt, um das Sonnenvitamin zu gewinnen. Das so gewonnene Vitamin D3 ist für Veganer ungeeignet.
Es gibt jedoch alternative Methoden, um veganes Vitamin D3 aus pflanzlichen Quellen wie Flechten zu gewinnen. Dieses Verfahren ermöglicht eine vegane Vitamin-D3-Quelle. Dabei wird das in den Flechten enthaltene 7-Dehydrocholesterol extrahiert und durch UV-B-Strahlung zu Vitamin D3 umgewandelt. Dieses vegane Vitamin D3 aus Flechten ist eine geeignete Option für Menschen, die tierische Produkte vermeiden möchten.